Unscheinbar ist der Titel der CD von Marco Trochelmann. Fujara, wie das Instrument. Ein Blick in das kleine Beiheft verrät, dass die Fujara eine slowakische Hirtenflöte ist. Immer noch sehr unscheinbar. Marco Trochelmann widmet also diesem unscheinbaren Instrument mit diesem unscheinbaren Namen eine ganze CD. Und es stellt sich heraus, dass das, was er aus allem Unscheinbaren macht, durch und durch spannend ist. Sicher, beim oberflächlichen Hören während des Hausputzes beispielsweise bleibt die Musik nur ein meditativer Klangteppich, der beim Musikhändler wohl in der Ecke „Esoterik“ zu finden sein würde. Sogar den Vorwurf der Eintönigkeit könnte man der Musik machen, unterstellen, dass es so unscheinbar bleibt, wie man es von Anfang an vermutet hat. Hört man aber genauer hin und billigt der Musik der Fujara mehr Raum zu als den einer bloßen Fahrstuhlmusik, dann öffnet sich ein wundersamer Kosmos von fremden Klängen. Lässt man sich ein auf den Zauber dieses Fremden, so erlebt man Momente, die an ein unerwartetes Wiederfinden erinnern. Wiederfinden von Ruhe, eine durchaus betörende Ruhe, die Trochelmann - so scheint es - aus einer unbekannt gewordenen Welt in die Heutige herüber gerettet hat. Marco Trochelmann spielt sein Instrument wie ein vielseitiger Kunstmaler, der sämtliche Stilarten verschiedener Zeiten meisterhaft beherrscht. Expressiv, impressiv, avantgardistisch. Virtuose Passagen oder Klangexperimente zwischen Instrument und Stimme wirken nie aufgesetzt und gewollt, der Interpret meidet die bloße Zurschaustellung technischen Könnens. Statt dessen erzählt er mit der Fujara Geschichten. Manchmal durchaus bekannte Fabeln, die ebenso bekannte Emotionen in uns wecken. Oftmals aber auch erzählen die Klänge uns fremde Dinge über uns selbst, und manchmal scheinen diese Dinge vor langer Zeit geschlossene oder nie zuvor geöffnete Türen in uns selbst aufzustoßen.
Martin Becker
(Martin Becker ist Autor und freier Journalist)